Unternehmenswert und Angebotspreis im Kontext öffentlicher Übernahmen – Diskussion von Spezialthemen
Im vierten Teil unserer Blogreihe zum Themenbereich «Unternehmenswert und Angebotspreis im Kontext öffentlicher Übernahmen» erörtern wir, worauf bei den Spezialthemen «geldwerte Nebenleistungen» und «unterschiedliche Aktienkategorien» mit Blick auf die Mindestpreisregeln und die Best Price Rule zu achten ist.
Hintergrund zu geldwerten Nebenleistungen
Wie die Verfahrensverläufe verschiedener Transaktionen in den vergangenen Jahren gezeigt haben, geben offerierte bzw. bezahlte Preise oft zu Diskussionen rund um die Einhaltung der übernahmerechtlichen Anforderungen an die Angebotspreisgestaltung durch die Anbieterin Anlass. Ein zentraler Diskussionspunkt ist dabei, dass neben dem bezahlten Preis in bar auch allfällige aus vertraglichen Beziehungen resultierende gegenseitige Nebenleistungen zwischen den involvierten Parteien bei der Beurteilung hinsichtlich Einhaltung der übernahmerechtlichen Vorgaben entsprechend zu berücksichtigen sind.
Intuitiv nachvollziehbare Beispiele solcher Nebenleistungen sind beispielsweise für eine Partei vorteilhafte Kreditverträge oder Pflichten zur Kostenübernahme einer Partei zugunsten der anderen.
In Abhängigkeit der Strukturierung der Transaktionen ist diese Thematik sowohl mit Bezug zu den Mindestpreisvorschriften als auch zur Best Price Rule relevant (vgl. hierzu auch unseren ersten Blog der Serie). Zur Beurteilung der Einhaltung der übernahmerechtlichen Vorgaben sind entsprechend zusätzliche geldwerte Nebenleistungen zwischen den involvierten Parteien in die Kalkulationen miteinzubeziehen.
Je nach Konstellation können sich solche geldwerte Nebenleistungen mindestpreiserhöhend bzw. -mindernd auswirken. Geldwerte Nebenleistungen können deshalb einen grossen Einfluss auf die Angebotspreisgestaltung und damit den Transaktionserfolg haben.
Illustratives Beispiel zu geldwerten Nebenleistungen
Grafik 1 zeigt ein illustratives Beispiel zum Thema geldwerte Nebenleistungen und basiert auf den folgenden Überlegungen:
- Im illustrativen Beispiel erwirbt ein Käufer über eine Anbieterholding im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebots Aktien eines Zielunternehmens von zwei Aktionärstypen (bleibender Aktionär und Publikumsaktionär). Der bleibende Aktionär bringt seine Aktien am Zielunternehmen im Rahmen der öffentlichen Übernahme in die Anbieter-Beteiligungsstruktur ein und ist anschliessend ebenfalls an der Anbieterholding beteiligt (im entsprechenden Gegenwert). Die Anbieterholding wiederum kauft zusätzlich die Aktien der restlichen Publikumsaktionäre im Rahmen des öffentlichen Übernahmeangebots vollständig auf.
- Gemäss Übernahmerecht sind die beiden Typen von Aktionären (bleibender Aktionär und Publikumsaktionär) gleich zu behandeln. Folglich muss der zu offerierende Preis an den Publikumsaktionär mindestens dem anteiligen Gegenwert entsprechen, den der bleibende Aktionär aus der neuen Struktur erhält. Zusätzliche geldwerte Nebenleistungen können in diesem Kontext zu einer Ungleichbehandlung führen. Sollten zusätzliche geldwerte Nebenleistungen zugunsten des bleibenden Aktionärs aus einem Vertragswerk bestehen, beispielsweise einem Aktionärsbindungsvertrag mit dem Käufer mit Blick auf die Anbieterholding, wären diese entsprechend ihrem Geldwert dem Publikumsaktionärs ebenfalls geschuldet.
Grafik 1: Illustratives Beispiel – die Beurteilung von geldwerten Nebenleistungen

Das illustrative Beispiel zeigt, dass die Berücksichtigung geldwerter Nebenleistungen wesentliche Auswirkungen auf eine Transaktion bzw. auf die Ausgestaltung der Transaktionsparameter haben kann. Nebenleistungen haben das Potenzial zum «Deal-Breaker», wenn sie nicht korrekt bzw. mit Weitsicht behandelt und im Voraus adressiert werden.
Betroffene Transaktionen bzw. Unternehmen
Die Thematik der geldwerten Nebenleistungen spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn einzelne bestehende Aktionäre ihre Beteiligung im Rahmen einer öffentlichen Übernahme in eine Anbieter-Beteiligungsstruktur einbringen. In diesem Fall werden zwischen den Parteien üblicherweise Verträge, beispielsweise Aktionärsbindungsverträge, abgeschlossen. Diese gehen mit Rechten und Pflichten und damit potenziellen geldwerten Nebenleistungen einher. Bei Unternehmen mit bedeutenden Aktionären kann diese Thematik entsprechend von höchster Relevanz sein.
In der Schweiz ist diese Konstellation bei kotierten Unternehmen weit verbreitet. Beispielsweise bei den 30 grössten börsenkotierten Unternehmen ausserhalb des Swiss Market Index SMI (d.h. den 30 grössten Unternehmen des SPI Extra) haben rund zwei Drittel einen bedeutenden Aktionär, der mindestens 10% am Unternehmen hält. Bringen diese Aktionäre ihre Beteiligung im Rahmen einer öffentlichen Übernahme in eine Anbieter-Beteiligungsstruktur ein und schliessen entsprechende Verträge mit dem Käufer ab, ist das Thema der geldwerten Nebenleistungen relevant.
Prozess zur Quantifizierung geldwerter Nebenleistungen
Der Prozess zur Beurteilung von geldwerten Nebenleistungen lässt sich grundsätzlich in drei Phasen unterteilen:
- Ein Bewerter (beispielsweise IFBC) analysiert im Auftrag der Anbieterin die relevanten Vertragsentwürfe und bewertet diese hinsichtlich geldwerter Nebenleistungen.
- Eine Prüfstelle prüft den Bewertungsbericht des Bewerters und bestätigt die Einhaltung der relevanten übernahmerechtlichen Vorgaben.
- Die schweizerische Übernahmekommission nimmt den Bewertungsbericht auf Basis der Beurteilung durch die Prüfstelle ab.
Da viele solcher geldwerter Nebenleistungen nicht nach herkömmlichen Methoden bewertbar sind, geht die gängige Praxis von einem gewissen Ermessensspielraum aus, den der Bewerter ökonomisch fundiert einzusetzen hat. Es ist deshalb für die Anbieterin empfehlenswert, die Bewertung proaktiv in Angriff zu nehmen.
IFBC Best Practice Advice
Rechte und Pflichten aus Vertragsbeziehungen sind im Kontext geldwerter Nebenleistungen situationsabhängig zu beurteilen. Ein «bewusster» Umgang mit relevanten Nebenleistungen ist aus unserer Sicht als einer der kritischen Erfolgsfaktoren eines öffentlichen Übernahmeangebots in der Schweiz zu werten. Unsere Empfehlungen zur Steigerung der Transaktionssicherheit lauten deshalb:
- Minimierung der netto geldwerten Nebenleistungen zugunsten des Verkäufers durch eine entsprechende Vertragsgestaltung zwischen den involvierten Parteien.
- Wenn dies nicht möglich ist, empfiehlt sich eine frühzeitige Bewertung und Klärung der relevanten Fragestellungen.
Aktuelle Praxis der schweizerischen Übernahmekommission bezüglich geldwerter Nebenleistungen
Mit der abschliessenden Verfügung im Fall Quadrant AG (2012) bzw. dem damit zusammenhängenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes kamen die geldwerten Nebenleistungen in den Fokus bei öffentlichen Übernahmen in der Schweiz. Die Abschaffung der Kontrollprämie per 1. Mai 2013 hat die schweizerischen Übernahmekommission schliesslich zu einer restriktiveren Handhabung hinsichtlich der geldwerten Nebenleistungen bewegt. Dies, um einer verdeckten Gewährung einer Kontrollprämie vorzubeugen.
Im Rahmen der Verfügungen zu den Fällen Kuoni Reisen Holding AG (2016) und ImmoMentum AG (2017) wurde die Handhabung der der schweizerischen Übernahmekommission schliesslich wieder etwas relativiert und spezifiziert. So gilt im Fall von Investorenvereinbarungen der Grundsatz, dass die darin enthaltenen Vertragsregelungen nicht als geldwerte Nebenleistung zu berücksichtigen sind, sofern es sich um vertragstypische Klauseln handelt. Gemäss der schweizerischen Übernahmekommission kann allerdings dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gelten. Sofern solche vertragstypischen Klauseln einen signifikanten Wert aufweisen, sind sie mit Blick auf eine allfällige geldwerte Nebenleistung zu prüfen. Die Übernahmekommission behält sich daher vor, gegebenenfalls eine Bewertung solcher vertragstypischen Nebenleistungen zu verlangen.
Das daraus resultierende Transaktionsrisiko gilt es im Rahmen von öffentlichen Übernahmen in der Schweiz proaktiv zu adressieren.
Die Relevanz von unterschiedlichen Aktienkategorie
Falls bei einem Unternehmen zwei verschiedene Beteiligungspapiere erworben werden, müssen die Preise für beide Kategorien in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen. Es ist dabei grundsätzlich dem Anbieter überlassen, die Kriterien für die Festlegung des Verhältnisses zwischen den Angebotspreisen für die verschiedenen Kategorien von Beteiligungspapieren festzusetzen.
Zur Beurteilung des angemessenen Verhältnisses wird grundsätzlich auf die unabhängige Prüfstelle abgestützt, die ihrerseits das vom Anbieter dargelegte angemessene Verhältnis zu überprüfen und zu plausibilisieren hat. Die erste Aktivität liegt damit beim Anbieter. Dies ist deshalb wichtig, weil dem Bewerter bei der Bestimmung des angemessenen Verhältnisses verschiedener Beteiligungspapiere wiederum ein gewisses Ermessen zugesprochen wird. So muss beispielsweise nicht zwingend ausschliesslich die Nennwertdifferenz berücksichtigt werden.
Praxisbeispiel zu unterschiedlichen Aktienkategorien: Öffentliches Kaufangebot der Kiwi Holding IV S.à.r.l. an die Aktionäre der Kuoni Reisen Holding AG (2016)
Im Fall der Kuoni Reisen Holding AG erstreckte sich das Angebot auf zwei Aktienkategorien mit unterschiedlichem Nennwert. In diesem Zusammenhang wurde seitens der Anbieterin geltend gemacht, dass eine reine Nennwertadjustierung beim Angebotspreis der Wertdifferenz zweier Aktienkategorien mit unterschiedlichen Nennwerten nicht gerecht wird. Viel eher sei eine Aktie mit einem Stimmrecht mit geringerem Kapitaleinsatz nennwertadjustiert mehr wert als eine ansonsten vergleichbare Aktie (mit gleichem Stimmrecht) mit einem höheren Nennwert und damit einem höheren Kapitaleinsatz.
Die Anbieterin hat deshalb analog dem zuvor beschriebenen Vorgehen mithilfe von IFBC die nennwertadjustierte Wertdifferenz zwischen den zwei verschiedenen Aktienkategorien vorab konkretisiert, quantifiziert und begründet. Sowohl die unabhängige Prüfstelle als auch die Übernahmekommission sind der Argumentation anschliessend gefolgt.
Entsprechend muss das angemessene Verhältnis von Angebotspreisen zweier Aktienkategorien mit unterschiedlichen Nennwerten nicht zwingend ausschliesslich aus der reinen Nennwertdifferenz abgeleitet werden. Dies erhöht den Spielraum im Rahmen der Angebotspreisgestaltung für die Anbieterin und erhöht damit die Chance auf eine erfolgreiche Transaktion.
Abschliessende Bemerkungen zur Blogserie
Die Blogserie «Unternehmenswert und Angebotspreis im Kontext öffentlicher Übernahmen» nimmt diverse wichtige Fragestellungen im Rahmen von öffentlichen Übernahmen in der Schweiz auf und vertieft diese mit Blick auf die aktuelle Praxis.
Generell lässt sich aus diesen Ausführungen festhalten, dass Unternehmenswert und Angebotspreis im Rahmen öffentlicher Übernahmen in der Schweiz sehr professionell und in Anlehnung an die geltende «best corporate finance practice» zu ermitteln sind, damit sie nicht zum «Deal-Breaker» werden. Die Vielfältigkeit an Anforderungen führt dazu, dass eine adäquate Vorbereitung sowohl für Investoren bzw. Käufer als auch für bestehende Aktionäre und insbesondere auch die Zielgesellschaft selbst von hoher Relevanz ist.