Interview mit Désirée Steiner, Langläuferin und IFBC Athletin

Auf dem Weg zu Olympia: Mit Fokus, Ausdauer und Haltung

Autor
IFBC Team
Datum
12/8/2025

Leidenschaft ist der Anfang – doch was es wirklich braucht, um an die Spitze zu gelangen, sind mentale Stärke, Rückhalt aus dem Umfeld und ein leistungsförderndes System, das Athlet:innen nicht nur fordert, sondern ihnen auch Stabilität und Vertrauen gibt. Désirée Steiner, Langlauf-Talent im B-Kader und IFBC Athletin, berichtet von ihrem Weg im Spitzensport: Über Höhen, Rückschläge und den täglichen Willen zur Weiterentwicklung. Ihr Weg beweist, dass sportlicher Erfolg mehr ist als blosse Resultate – es ist eine Frage der inneren Haltung.

Lass uns ganz am Anfang beginnen – wer bist du, ganz persönlich?

Mein Name ist Désirée Steiner, ich bin 26 Jahre alt und eine aufgestellte, fröhliche Person mit grossem Bewegungsdrang. Ich bin gerne in der Natur unterwegs. Geboren und aufgewachsen bin ich in Davos – wenig überraschend also, dass man dort schon in jungen Jahren mit dem Schneesport in Kontakt kommt.

Mein Vorbild ist und bleibt mein drei Jahre älterer Bruder, der bis 2023 selbst als aktiver Langläufer unterwegs war. Leidenschaft, Ehrgeiz und die grosse Freude am Sport haben wir von unserem Vater mit auf den Weg bekommen, der früher selbst aktiver Biathlet war. Abgesehen davon bin ich einfach eine ganz normale Person – die im Winter versucht, auf zwei schmalen Latten möglichst schnell vorwärtszukommen.

Was ist deine tägliche Motivation – was treibt dich morgens aus dem Bett?

Ganz einfach: meine Ziele. Zu wissen, wofür ich das alles mache. Dieses Gefühl, nach einem Rennen im Ziel zu stehen und sagen zu können: Ich habe alles gegeben. Die Emotionen, die nur der Sport auslösen kann – die schönen, aber auch die schwierigen. Leid und Freude liegen im Sport sehr nah beieinander: An einem Tag fühlt man sich am Boden, am nächsten fliegt man gefühlt in den Himmel. Es ist unbeschreiblich. Genau dafür stehe ich jeden Morgen auf und trainiere den ganzen Sommer – um im Winter all das erleben zu dürfen.

Langlauf erfordert immense Ausdauer – wie trainierst du dich körperlich und mental auf diese Herausforderungen?

Im Sommer trainieren wir meistens zweimal täglich. Wir sind viel auf Rollski unterwegs, aber auch zu Fuss, auf dem Velo oder im Kraftraum – zum Glück können Langläufer sehr vielseitig trainieren. Den Trainingsplan erstelle ich gemeinsam mit meiner Trainerin. Offiziell starten wir am 1. Mai ins Sommertraining. Jeden Monat sind wir etwa zehn Tage im Trainingslager, den Rest der Zeit trainiere ich in Davos. Ein Ruhetag pro Woche ist fest eingeplant – der ist für Körper und Kopf enorm wichtig. Ich geniesse diesen Tag sehr: Freunde treffen, über alles Mögliche sprechen – ausser über den Sport – oder einfach mal mit dem Fahrrad bergab fahren (statt wie sonst immer bergauf!). Diese bewussten Pausen sind für mich mental entscheidend: Einen Tag lang aus dem Leistungssport-Modus auszusteigen, den Druck loszulassen und einfach ich selbst zu sein – das gibt mir neue Energie.

Welche Station auf deinem bisherigen Weg war für dich am bedeutendsten?

Es gab mehrere bedeutende Stationen auf meinem bisherigen Weg. Am meisten geprägt haben mich aber die Erfolge, die auf Rückschläge folgten. Nachdem ich im ersten Anlauf die Aufnahmeprüfung fürs Sportgymnasium nicht bestanden hatte, fuhr ich ein Jahr später zu den Youth Olympic Games 2016 in Lillehammer (NOR) und belegte im Alpencup – nach vier Siegen – den zweiten Platz in der Gesamtwertung. 2022 verpasste ich die Olympischen Spiele nur ganz knapp und wurde anschliessend in eine tiefere Trainingsgruppe selektioniert. Doch in der darauffolgenden Saison stand ich bei meinen ersten Weltmeisterschaften am Start – und in der nächsten Saison lief ich zweimal in die Top 10 im Weltcup, belegte den 21. Rang an der Tour de Ski und den 21. Rang in der Sprint-Gesamtwertung im Weltcup. Diese Momente zeigen mir immer wieder: Dranbleiben lohnt sich.

«Diese Momente zeigen mir immer wieder: Dranbleiben lohnt sich.»

Wie gehst du mit Rückschlägen, wie z.B. Krankheiten, Verletzungen oder Formtiefs um?

Ich musste erst lernen, damit umzugehen – aber heute kann ich sagen: Nach jedem Tief folgt irgendwann auch wieder ein Hoch. Daran halte ich fest. Rückschläge gehören im Sport einfach dazu, und ich versuche, mich nicht zusätzlich unter Druck zu setzen oder mich selbst dafür zu verurteilen. Zum Glück bin ich selten krank. Verletzungen oder Formtiefs nehme ich inzwischen bewusster an. Ich nutze diese Pausen, um neue Kraft zu tanken und gestärkt zurückzukommen.

Welche Rituale oder Methoden helfen dir, in schwierigen Momenten wieder Kraft zu schöpfen?

Abschalten vom Sport – das hilft mir am meisten. Den gewohnten Rhythmus bewusst unterbrechen und etwas ganz anderes machen. Etwas, das mich fordert und aus meiner Komfortzone lockt – aber auf eine andere Weise als im Leistungssport. Und vor allem: mein Umfeld. Mein Partner, meine Familie und meine Freunde geben mir viel Rückhalt. Manchmal reicht schon ein Austausch via Telefon – und ich bin emotional wieder im Gleichgewicht.

Obwohl du allein auf der Loipe bist – wie wichtig ist das Teamgefühl in deinem Kader?

Ich war schon immer eher ein Teamplayer als ein typischer Einzelsportler. Für mich ist das Team unglaublich wichtig – ohne Team läuft gar nichts. Gerade im Sommer, wenn die Trainings lang und hart sind, pushen wir uns gegenseitig, motivieren uns und kämpfen gemeinsam durch. So kann man im Winter den Erfolg zusammen feiern oder schlechte Rennen auch gemeinsam schneller abhaken.
Zum Team gehören aber nicht nur die Athlet:innen, sondern auch Trainer, Physiotherapeuten, Ärzt:innen und das Serviceteam. Wenn alle am gleichen Strang ziehen, wird vieles einfacher – und am Ende kann man den Erfolg gemeinsam feiern. Egal, wer am Schluss ganz oben steht: Man freut sich zusammen. Und es ist jedes Mal jemand anderes – aber man freut sich für alle und das finde ich sehr wichtig.

Wie empfindest du den Spagat zwischen individueller Leistung und gemeinsamer Verantwortung im Team?

Gemeinsam können wir viel mehr erreichen – denn jeder bringt seine eigenen Stärken ins Team ein. Wir wissen, was wir können und wo wir von den Fähigkeiten unserer Teamkolleg:innen profitieren. In unserem kleinen Team sind wir sehr unterschiedlich – und genau das ist das Coole daran. Jeder hat andere Qualitäten, aber wir wachsen aneinander und miteinander. Im Winter, auf der Loipe, stehen wir dann trotzdem oft allein da. Für mich persönlich ist es so: Ich laufe in erster Linie gegen die Zeit, nicht direkt gegen die anderen. Am Renntag hängt meine Leistung nur von mir selbst ab – und dafür bin ich selbst verantwortlich.

«Sportlich ist das Ziel ganz klar: die Olympischen Spiele 2026 in Mailand. Diese Saison steht ganz im Zeichen von Olympia.»

Was ist dein nächstes grosses Ziel – sportlich und persönlich?

Sportlich ist das Ziel ganz klar: die Olympischen Spiele 2026 in Mailand. Diese Saison steht ganz im Zeichen von Olympia. Mein Fokus liegt auf dem Sprint – im Februar will ich dort in Topform sein. Gleichzeitig kämpfe ich auch um einen Platz in der Staffel. Persönlich weiss ich inzwischen sehr genau, wer ich bin und was ich will: Mein Ziel ist es, mich nicht unterkriegen zu lassen und meinen eigenen Wert zu erkennen – unabhängig von Ergebnissen.

Désirée Steiner ist Langläuferin beim SC Davos und gehört zum B‑Kader von Swiss‑Ski. Sie absolvierte das Sportgymnasium und legte damit früh die Basis für ihre sportliche Laufbahn. Bereits 2016 vertrat sie die Schweiz an den Youth Olympic Games in Lillehammer. Es folgten Erfolge wie ein Alpencup‑Sieg, Weltcuppunkte (u. a. Platz 10 in Falun), eine WM‑Teilnahme und nationale Podestplätze – darunter Silber bei den Schweizer Meisterschaften. Nach dem Saisonabbruch 2025 und dem Kaderwechsel blickt sie mit mentaler Stärke und klarem Fokus auf ihr grosses Ziel: die Olympischen Spiele 2026 in Mailand.

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